Piotr

Piotr, 58, Unfallchirurg, Kiew

Interview: Natalija Yefimkina, 1.03.2022

„Hallo, ich bin der leitende Unfallchirurg des zentralen Grenzhospitals in Kiew und ich habe seit sechs Tagen durchgearbeitet und die Verletzten empfangen.

Ich bin am Donnerstag aufgewacht und direkt zum Krankenhaus gefahren.

Gestern hatte ich Geburtstag, ich bin 58 geworden.

Nein, ich war nicht zu Hause, wir sind hier isoliert und abends ist Sperrstunde. Wir schlafen, waschen uns und essen im Krankenhaus. Ich hätte am Tage zu meiner Familie fahren können. Ich habe zwei Kinder, 13 und 8 Jahre alt, aber ich konnte nicht, ich hatte kein Benzin. Meine Kinder und meine Frau sind zu Hause und sitzen im Keller.

Es kommen regelmäßig Verwundete. Das sind harte Momente. Wir warten auf die russischen Fallschirmjäger. Meine Freunde arbeiten in Hospital Nr. 17, das durch die Fallschirmjäger beschossen wurde. Es wurden auch andere Objekte in der Stadt beschossen, heute auch der Fernsehturm. Seitdem gibt es kein Fernsehen mehr. Wir sind gut vorbereitet. Wir haben eine Notfallstation, wir haben einen Schockraum und eine Intensivstation. Der Eingang zur Ersten-Hilfe-Station ist mit Sandsäcken verbarrikadiert. Es ist Krieg und wie das im Krieg so ist, fehlt es an einigem: an Verbandsmaterial generell, an Personal sowieso und speziellem Verbandsmaterial, an den unfallchirurgischen Hilfsmitteln, wie z.B. externen Fixationsgeräten. Nicht nur unser Krankenhaus braucht humanitäre Hilfe, aber die Frage ist, wie sie zu uns gelangen kann. Wie wir hören, ist der Zugang zur Stadt vom Westen her abgeschnitten und die Flughäfen sind zerbombt. Am schlimmsten bei der jetzigen Situation, ist das Unbekannte, das Nicht-Wissen darüber, was morgen sein wird, wo die Gefahr lauert und wann die nächste Explosion kommt. Aber wir wissen, was zu tun ist.

Ob man die Kinder nochmal sieht, ob man die Eltern nochmal sieht. Ich hätte sie alle nochmal sehen können oder auch wegbringen können, bin aber ins Krankenhaus gefahren. Ich kann meine Eltern nicht hierlassen, wer sorgt für sie, wer bringt ihnen das Essen?

Zu Verletzungen: Wir haben hauptsächlich mit traumatisierten und kranken Verletzten zu tun. Heute habe ich folgende Verletzungen behandelt: Splitterverletzung des Herzmuskels, Splitterverletzungen der Gliedmaßen, der Wirbelsäule, Verletzungen der Bauchhöhle.“

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